Dienstag, 20. September 2022

Fragwürdige Ideologien in Privatschulen im Kanton St.Gallen

Der Bildungsrat des Kantons St.Gallen hat eine Privatschule in Uznach bewilligt, welche nach Medienberichten den kantonalen den Bildungsgrundsätzen widerspricht. Hierzu ergeben sich Fragen.

Interpellation zu Privatschulbewilligungspraxis im Kanton

Der Bildungsrat des Kantons St.Gallen hat eine Privatschule in Uznach bewilligt, welche nach Medienberichten der Schetinin-Schule nahesteht und deren Ideologie von nationalistischem und rechtsesoterischem Gedankengut geprägt sei. Im Zeitungsartikel im Tagblatt wurde Jürg Müller, Leiter der Abteilung Aufsicht und Schulqualität zitiert: « […] eine Ideologie im Hintergrund aufgrund der verfassungsrechtlichen gewährten Privatschulfreiheit nicht der Staatsaufsicht unterliegt.»


Diese Aussage wirft Fragen auf. Franziska Cavelti Häller und Sarah Noger-Engeler haben deshalb zu diesem Thema zusammen mit Martin Stöckling, FDP, Stadtpräsident Rapperswil-Jona, und weiteren 28 Mitunterzeichnenden eine Interpellation eingereicht. Diese fand breites mediales Echo.
 

 

Interpellation Noger-Engeler, Häggenschwil / Cavelti Häller, Jonschwil / Stöckling, Rapperswil-Jona
«Fragwürdige Ideologien in Privatschulen im Kanton St. Gallen: Müssen die Rechtsgrundlagen überarbeitet werden?

 

Der Bildungsrat des Kantons St.Gallen hat eine Privatschule in Uznach bewilligt, welche nach Medienberichten, der Schetinin-Schule (auf Basis der Anastasia-Bewegung) nahesteht und gemäss deren Grundsätze den Unterricht gestaltet.
 

Die Ideologie hinter der Schetinin-Schule sei geprägt von nationalistischem und rechtsesoterischem Gedankengut, und wird auch mit Verschwörungstheorien sowie der Neonaziszene und der Reichsbürgerbewegung in Deutschland in Verbindung gebracht.

Im Zeitungsartikel vom 15. Juli 2022 (Verbindungen zu Neonazis und Reichsbürgern? Der Kanton St.Gallen erteilt rechts-esoterischer Privatschule provisorische Bewilligung, St. Galler Tagblatt) wird Jürg Müller, Leiter der Abteilung Aufsicht und Schulqualität, zitiert.

«Der Bildungsrat bewillige die Einrichtung von Privatschulen schliesslich dann, wenn der Unterricht gleichwertig zur öffentlichen Schule und die Rechtsordnung eingehalten sei, wobei eine Ideologie im Hintergrund aufgrund der verfassungsrechtlichen gewährten Privatschulfreiheit nicht der Staatsaufsicht unterliegt.»

 

Im aktuellen Lehrplan der Volksschule des Kantons St. Gallen, welchen auch Privatschulen erfüllen müssen, steht folgendes:

«Die Volksschule unterstützt die Eltern in der Erziehung des Kindes zu einem lebensbejahenden, tüchtigen und gemeinschaftsfähigen Menschen. Sie wird nach christlichen Grundsätzen geführt. […]

Sie erzieht die Schülerin und den Schüler nach den Grundsätzen von Demokratie, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit im Rahmen des Rechtsstaates zu einem verantwortungsbewussten Menschen und Bürger.»

Auf Grund dieser Informationsgrundlage stellen sich verschiedene Fragen.



Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:
 

  1. Eine Ideologie ist eine «an eine soziale Gruppe, eine Kultur o. Ä. gebundenes System von Weltanschauungen, Grundeinstellungen und Wertungen» (Duden). Es gibt Ideologien, welche mit den Grundsätzen des Lehrplans und unseres Rechtsstaates nicht kompatibel sind. Wie kann es sein, dass die Ideologie im Hintergrund des pädagogischen Leitbildes einer Privatschule nicht der Staatsaufsicht unterliegt?
     

  2. Der Lehrplan bestimmt, dass die Schule die Schülerinnen und Schüler nach den Grundsätzen von Demokratie, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit im Rahmen des Rechtsstaates (…) erzieht. Kann eine Schule, welche angeblich das vorliegende Gedankengut (siehe oben) vertritt, diesem Grundsatz nachkommen und wird das Gedankengut der Schule nun erneut überprüft?
     

  3. Die Schule bietet Unterricht vom Kindergarten bis und mit 6. Klasse an. In diesen jungen Jahren sind Kinder besonders begeisterungsfähig und damit offen, rsp. allfällig für fehlgeleitete Ideologien. Wie trägt das BLD diesem Umstand bei der Bewilligung von Privatschulen Rechnung?
     

  4. Gemäss Liste der Privatschulen des Kantons SG verfügt die Schule über keine Homepage und hat sich mit dem Namen «Lernraum zum Eintauchen» einen Namen gegeben, welcher eine Verwechslung mit einer anderen Institution in der Region geradezu provoziert. Wie beurteilt die Regierung diese beiden nicht sehr vertrauensbildenden Tatsachen? Wurden diese in die Bewilligungsbeurteilung mit einbezogen?
     

  5. Nach Medienbericht verneinte die Schule die Frage nach einem religiös-ideologischen Hintergrund. Wie werden in der Bewilligungspraxis die Hintergründe der geplanten Privatschule abgeklärt und wie werden sie zur Qualitätssicherung überprüft?
     

  6. Die Bewilligung der Privatschule in Uznach wurde provisorisch auf zwei Jahre erteilt. Eine definitive Bewilligung erfolgt, wenn ein erneutes Gesuch gestellt wird und die «Schulerfahrungen als nachhaltig erfüllt erachtet werden». Mit welchem Vorgehen wird eine solche Nachhaltigkeit abgeklärt und gewährleistet und kann eine erteilte provisorische Bewilligung vorzeitig widerrufen werden?
     

  7. Wenn die Ideologie – das Wertesystem – hinter einer Privatschule nicht der Staatsaufsicht unterliegt, welche Möglichkeit hat der Staat, zu verhindern, dass staatsfeindliche Ideologien an Privatschulen den Unterricht prägen? Sind die dazu rechtlichen Grundlagen ausreichend?