Donnerstag, 3. Dezember 2020

E-Mobilität – Der Kanton ist zu zurückhaltend

Der Kanton St.Gallen könnte mehr zur Förderung der E-Mobiliät tun. Ein Postulatsbericht der Regierung zu diesem Thema basiert auf nicht aktuellen Fakten. E-Autos, E-Bikes und auch E-Busse könnten weit mehr fossil angetriebene Fahrzeuge ersetzen, wenn die Voraussetzungen besser wären.

Elektromobilität im Kanton St.Gallen,
Sonja Lüthi im Namen der Postulanten

(Votum von Andrin Monstein und Fragen zum bericht von Sarah Noger-Engeler siehe weiter unten)

 

Ich danke der Regierung für die Beantwortung unseres Postulates. Letzteres haben wir Ende 2017 eingereicht. Es ist gut, dass sich der Kanton über 2 Jahre mit dem Thema befasst hat – aber erfasst er die aktuelle Dynamik? Zahlen zu 2019 fehlen – das Strassenverkehrsamt sollte diese doch liefern können? Das Tagblatt schreibt am 31. Januar 2020, dass der Verkauf von Elektroautos um 144% angestiegen ist.

 

Die «Roadmap Elektromobilität 2022» des Bundes zielt auf 15% Marktanteil bei den Neuwagen. Die jüngste Entwicklung betrachtend ist das realistisch. Wer im Bericht nur von den 0.3% Elektrofahrzeuge im Bestand liest – eine bessere Ist-Analyse fehlt – ist unzureichend informiert.

 

Ich erlaube mir deshalb, dies hier nachzuholen: Bei den im 2020 gekauften Autos ist jedes 8. Auto ein Auto mit Steckdose (Plug-in Hybrid oder reines Elektroauto) und 7% sind reine Elektroautos. Die Zunahme der Elektroautos ist rasant, es gibt immer mehr verschieden Modelle im Angebot, die Mehrkosten nehmen stark ab, teils sicher auch aufgrund von kommunalen oder kantonalen Förderprogrammen. Corona mag temporär zu einem Einbruch der Zunahmegeschwindigkeit führen, doch der Trend ist klar.

 

Mir ist bewusst, in der Politik mahlen die Mühlen langsam, aber ich finde es doch sehr schade, dass bei einem Thema, bei welchen es aktuell eine so zentrale Veränderung gibt, im Bericht der Regierung überhaupt nicht auf die aktuellen Zahlen eingegangen wird. Der angehängte Fachbericht operiert mit Zahlen aus dem Jahr 2018 welche die aktuelle Situation nicht mehr wiedergeben.

 

Nicht einverstanden sind wir mit der Aussage, dass der Fachbericht das E-Bike und E-Carsharing beleuchtet. Der Fachbericht hält einzig fest, dass es mit Mobility, E-Carpooling.ch, Carvelo2go sowie einem E-Bike-Verleihsystem bereits ein Angebot an Elektrofahrzeug-Verleihmöglichkeiten im Kanton St.Gallen geht. Geschätzte Mitglieder der Regierung, haben Sie mal versucht ein Elektroauto auf E-Carpooling.ch zu reservieren? Nicht notwendig, dies ist nämlich eine Seite für Mitfahrgelegenheiten, jedoch nicht für die Miete von Fahrzeugen. Unter «einen Bereich beleuchten» verstehen wir klar etwas andere. Diesem Bereich hätte klar mehr Bedeutung geschenkt werden sollen!

 

Der Bericht zeigt klar auf, dass wir auf kantonaler Ebene einiges zur Förderung der Elektromobilität machen könnten – ja, wir sind klar der Meinung, sogar müssen. Es ist unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie der Zukunft entsprechen. Aus Sicht der Postulanten gilt es insbesondere ein Augenmerk auf die Ladeinfrastruktur zu werfen. Heute Parkplätze zu bauen ohne zumindest gewisse Vorarbeiten für eine Ladeinfrastrukur macht schlicht keinen Sinn mehr. Die im Bericht angesprochene Anpassung im PBG soll möglichst bald in Angriff genommen werden.

 

Im Grundsatz unterstützen wir die erarbeiteten Massnahmen und die gemachte Priorisierung und plädieren stark dafür, dass diese umgesetzt werden. Dass der Kanton nur noch Elektrofahrzeuge beschafft, sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ebenso ein langfristig gesicherter Anreiz über die Motorfahrzeugsteuer.

 

Im Zentrum steht aus unserer Sicht, dass es möglichst bald ausreichend und zuverlässige Lademöglichkeiten gibt und dies eben auch für Personen in Mietobjekten, Stockwerkeigentümer und am Arbeitsplatz.

 

Bei der Massnahme 11 – Durchsetzung einer ansteuerbaren Ladeinfrastruktur – möchten wir zu bedenken geben: Anstatt dass die Energieversorger starr einen ein/aus-Befehl bei ihren Kunden durchzusetzen versuchen, sollten zeit-variable Stromtarife geprüft werden. So können Verbraucher individuell ggf. über ihr Solar-Energie-Manager programmieren, unter welcher Strompreisgrenze sie ihr Auto laden, und wann sie bei hoher Stromnachfrage Elektrizität abgeben.

 

Die Lade- und die damit verbundene Netzinfrastruktur ist für uns eine der grössten Herausforderungen. Hier vermissen wir, dass der Kt. das Heft nicht mehr in die Hand nimmt und sagt, was wichtig ist. Diese Aufgabe könnte er auch den EVUs übergeben (z.B. via Eignerstrategie SAK). Hier geht unser Nachbarskanton TG einen Schritt weiter: mit der Planung der Ladeinfrastruktur (gemeinsam insbes. mit EVUs und Gemeinden), dem Pilotprojekt der Modellregion und der Behandlung des Themas Batteriespeicher, welche den Netzausbaubedarf reduzieren können.

 

Die Elektromobilität kann einen wertvollen Beitrag zum zeitversetzten Laden und damit zur Maximierung der Integration neuer erneuerbarer Energien leisten. Hier gilt es, gemeinsam mit den Energieversorgern aktiv zu sein – werfen Sie doch mal einen Blick in unseren Nachbarskanton!

 

Der Bericht spricht zu recht die etwas unübersichtliche Vielfalt bei der Abrechnung von e-mobility Ladestationen an. Wenn eine einfache Bezahlung mit Bezahl-Apps wie TWINT das Wirrwarr verschiedener Kundenkarten lösen kann, und Unkosten für «Roaming» zwischen Anbietern oder EC-/Kredit-Karten umgangen werden können, so sollte eine solch einfach-einheitliche Abrechnungsart Voraussetzung sein, wenn Ladestationen entsprechend Massnahmen 5 und 6 gefördert werden.

 

 

E-Bus

 

Nun zur E-Bus Strategie. Obwohl der Bericht gemäss Zielsetzung den Zusammenhang zwischen Elektromobilität und den Themen Automatisierung und Digitalisierung beleuchten soll, scheint die E-Bus Strategie auf grosse Elektrobusse analog heutiger Dieselbusse ausgerichtet. Verkennt hier der Kanton die Perspektive, dass elektrische Kleinbusse per App für Transporte von Tür zu Tür bestellt werden könnten?

Zweitens: Gemäss Graphik sind die Energiekosten beim Elektrobetrieb gegenüber Diesel etwa 30% günstiger. Nur 30%? Welcher Strompreis wurde angenommen? Seitens Diesel wird ein steuerbefreiter (=subventionierter) Preis von CHF 1.35 pro Liter verwendet – was fragwürdig ist. Solarstrom zu 10 Rp/kWh sollte weniger als die Hälfte vom Diesel kosten.

Drittens: Die Bus-Unternehmen müssen vor der Beschaffung vom Elektrobussen zwingend ein Konzept ausarbeiten und mit dem Kanton abstimmen. Dies erscheint uns eine Hürde zum Fernziel, dass möglichst 100% Elektrobusse unterwegs sein sollen: Wer mit Elektrobussen vorwärts machen will, muss sich rechtfertigen – da bestellen wir doch einfacher wieder Dieselbusse. Natürlich sind schlechte Erfahrungen zu vermeiden und hängt die Vorgabe wohl damit zusammen, dass der Kanton letztlich Kosten übernehmen muss. Aber wenn es wirklich vorwärts gehen soll, dann sollte man den Spiess umdrehen: Unternehmen, welche E-Busse anschaffen möchten, sollten unterstützt werden. Möglichst bald – spätestens zum Zeitpunkt der Aufhebung der Rückerstattung der Mineralölsteuer - sollten E-Busse der Standard sein, die Beschaffung anderer Buse nur noch auf Begründung möglich. Aus unserer Sicht sind gewisse Mehrkosten in einer Übergangszeit vertretbar, klar ist aber auch, dass Unternehmen, deren Busse lange Distanzen oder viele Höhenmeter zurücklegen müssen, nicht schon heute auf E-Busse umsteigen können.

 

 

2-Rad Mobilität

 

Obwohl der Bericht explizit auch die 2-Rad-Mobilität berücksichtigen will, gibt es im Bericht keine Zahlen zur stark wachsenden Anzahl an e-Bikes. Elektro-Scooter und -Motorräder werden ebenso ignoriert. Für diese sinnvollen 2-Räder können Batterie-Wechselstationen machbar und hilfreich sein (im Bericht steht richtig, dass Batterie-Wechselstationen für Elektroautos nicht aussichtsreichend sind, aber das ganze e-mobility-Spektrum wird damit nicht erfasst). Ein verstärktes 2-Rad Aufkommen ist in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen, Velofahrer ist nicht gleich Velofahrer: so gibt es jene, die mit dem Velo einen gemütlichen Ausflug unternehmen, andere wiederum benutzen ihr schnelles E-Bike um täglich zur Arbeit zu pendeln. Dies muss zwingend bei der Infrastrukturplanung beachtet werden. Insbesondere Ausbau-Bedarf gibt es bei Velo-Schnellstrassen für Pendler.

 

Bei der Veloförderung erwarten wir vom Kanton St.Gallen bzw. vom für die Agglomerationsprogramme zuständigen TBA eine klare Priorisierung der voranzutreibenden Agglomerationsprogrammprojekte. Es gilt hier den Velofahrern ein besseres Wegnetz zur Verfügung zu stellen und die von Bund in Aussicht gestellten Gelder müssen abgeholt werden.

 

Was uns klar fehlt sind im Bereich des Multimodalen Verkehrs ist eine Massnahme zur Förderung vom E-Car-Sharing. Aus unserer Sicht gibt es hier definitiv Handlungsbedarf.

 

Kaum Eingang in die Handlungs-Empfehlungen hat die Prognose gefunden, dass für die Elektromobilität im Kanton St.Gallen bis 2025 über 50 Millionen kWh neue erneuerbare Elektrizität erforderlich wird (das spart immerhin 20 Millionen Liter Erdöl pro Jahr – täglich mehr als 2 Tanklastwagen alleine für den Kanton St.Gallen). Mittelfristig beansprucht die Elektromobilität unter 2% vom aktuellen Stromverbrauch, aber immerhin 25 MW Windkraft oder 60 MW Photovoltaik sollte dazu in den nächsten 5 Jahren zugebaut werden. (als Vergleich: auf unseren Kantonalen Hochbauten werden in den nächsten Jahren auf 17 Hochbauten 2 MWp zugebaut)

 

 

Ergänzend Andrin Monstein im Namen der Grünliberalen

Viele Punkte wurden von meinen Vorrednern und Vorrednerin bereits ausgeführt, insbesondere von Kollegin Sonja Lüthi.
 

Im St.Galler Energiekonzept wird festgehalten, dass im Bereich Verkehr der CO2-Ausstoss weiter ansteigt, der Verkehr wesentlich zur gesamten CO2-Belastung beiträgt und eine Trendwende nicht erkennbar ist. Vor diesem Hintergrund kann ein schneller Umstieg auf die Elektromobilität gar nicht hoch genug gewichtet werden. Mit dem Inhalt des Bericht der Regierung dazu, sind wir mässig zufrieden.

 

Kurz zum Votum von Herrn Kollege Müller, ihre Aussage betreffend Ökobilanz von Elektrofahrzeugen ist leider nicht korrekt. Entscheidend für die Öko- und CO2-Bilanz sind 2 Faktoren.

Erstens: Der Strom, ja.. aber bereits mit dem durchschnittlichen Schweizer Strommix, der ja bekanntlich zu 60% aus Wasserkraft stammt, sind wir hier wesentlich besser dran als mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren.
Der zweite entscheidende Faktor ist im übrigen die Dauer der Benutzung – also je länger sie ein Elektrofahrzeug fahren, desto besser seine Ökobilanz.

 

Die Entwicklung des Trends bei den Neuzulassungen geht in die richtige Richtung. Die Zahlen des Bericht für den Kanton St. Gallen sind leider nicht aktuell, schweizweit wird der relative Anteil von Elektrofahrzeugen bei rund 7% im Jahr 2020 liegen. Damit liegt die Schweiz aber noch weit hinter anderen europäischen Ländern. Schweden, Island oder Norwegen machen uns bereits seit Jahren vor, wie eine Umstellung auf eine elektrische Fahrzeugflotte auch im grossen Stil problemlos möglich wäre.

 

Im Bericht der Regierung finden sich nach unserer Meinung durchaus positive Ansätze. Insbesondere die Massnahmen zur Technologieneutralen Ökologisierung der Motorfahrzeugsteuer (M1) und die Massnahmen zur Förderung der Ladeinfrastruktur (M4a – bis und mit M6) erachten wir als vielversprechend. Ob damit jedoch die notwenige Wirkung erzielt werden kann, hängt von der finalen Ausgestaltung und Umsetzung ab.

Zu Massnahme M1, Technologieneutrale Ökologisierung der Motorfahrzeugsteuer möchten wir betonen, dass sie das zu bevorzugende Instrument bei der Implementierung von lenkungswirkenden Anreizen darstellt. Es gilt bei der Umsetzung dieser Massnahme ein starkes Bonus-Malus System zu implementieren, dass die verursachten externen Kosten, stärker internalisiert und so dem Verursacherprinzip gerecht wird. Dies ist bekanntlich der bevorzugte Weg in die Zukunft für uns Grünliberale – wir werden daher die weitere Entwicklung dieser Massnahme genau mitverfolgen.

Zu den Massnahmen M4a bis M6 sind wird erfreut darüber, dass die Bedeutung der Ladeinfrastruktur als zentrale Voraussetzung für die Marktdurchdringung der Elektromobilität erkannt wurde. Aber analog zum vorherigen Punkt hängt der Erfolg, sprich die schnelle Bereitstellung der Ladeinfrastruktur, von der konkreten Massnahmenumsetzung ab – auch hier gilt es die weitere Entwicklung genau zu beobachten.



Überdies möchten wir klar betonen, dass wir die Chancen der Elektromobilität für den Kanton St.Gallen weiteraus stärker gewichten als die ebenfalls im Bericht aufgeführten Risiken.

 

Fragen zum Bericht von Sarah Noger-Engeler

Zu M12, Unterstützung des E-Bikes, nicht nur die der sicheren Nutzung von Velos:

Grundsätzlich ist dieses Ansinnen sicher zu unterstützen und auch sehr dringlich. Wer sich auf das E-Bike schwingt um den Arbeitsweg zurückzulegen, möchte schnell von A nach B kommen. Gerade bei geteilten Fahrrad/Fussgängerwegen ist die Situation für die Langsamverkehrsteilnehmer nicht tragbar und sehr gefährlich. Auch bei schmalen Velostreifen am Fahrbahnrand müssen insbesondere schnelle E-Bikes herkömmliche Velofahrer überholen und gefährden dann schnell die Sicherheit des Verkehrs und sich selbst. Sind diesbezüglich schon konkrete Massnahmen in der Pipeline?


Zu M11, Energieversorger können die Ladeinfrastruktur «von aussen» ansteuern:
Die Ladeinfrastruktur empfängt Signale aus dem Verteilnetz, um auf Unter- und Überlastsituationen intelligent reagieren zu können.

Im Bericht zur E-Mobilität wird davon gesprochen, dass es relevant sei, zeitversetztes und gesteuertes Laden zu ermöglichen, damit das Risiko der Verteuerung des Stroms reduziert werde.

Was genau kann man sich unter dieser ‘Ansteuerung von aussen’ vorstellen – und wie kann diese auf Unter- oder Überlastungen reagieren – sind da auch grosse Energiespeicher zusätzlich geplant?