Mittwoch, 22. September 2021

Kindern zu ihrem Recht verhelfen

Eine ausreichende Sozialisierung ist für Kinder und ihre gesunde Entwicklung wichtig. Kinder dürfen nicht wegen der Handlungen, Unterlassungen oder Einstellungen der Eltern Nachteile erleiden dürfen. Dies gilt auch für Kinder im Ausreise- und Nothilfezentrum (ANZ) Sonnenberg, welche in den Nothilfestrukturen verbleiben müssen.

Kindern zu ihrem Recht verhelfen – im Ausreise- und Nothilfezentrum (ANZ) Sonnenberg
Sarah Noger-Engeler im Namen der Grünliberalen


Wir anerkennen, dass beispielsweise die Beschulung der Kinder bereits mehrfach evaluiert und verändert wurde und dazu auch verschiedentliche Fachpersonen hinzugezogen wurden. Die Kinder werden in der fixen Kindergruppe des ANZ beschult – es stellt sich die Frage, warum das Schulkonzept nicht vorsieht, diese Kinder in der Regelschule zu integrieren und eine ganzheitlichere Förderung zu ermöglichen.

Auch dass in den letzten 1½ Jahren auf polizeiliche Ausschaffung und Traumatisierung von Kindern mit ihren Familien verzichtet wurde, ist positiv zu werten.
 

Den EKM-Bericht erwarten alle mit Spannung – das ist gut so. Doch grundsätzlich heisst das nicht unbedingt, dass ein Kanton nicht auch bereits voraus verbessernde Massnahmen ins Auge fassen könnte, wenn Probleme erkannt werden. Die Kantone haben einen Spielraum, und diesen nutzt St.Gallen kaum.
 

Als das Nothilferecht im Bundesparlament beschlossen wurde, haben sich mehrfach Parlamentarier klargestellt, dass «Es sind ja nicht die Familien, es sind ja nicht die Kinder, die wir bestrafen wollen» (Zitat Ständerat This Jenny, SVP). Die Anwendung des Nothilferechts auf Eltern mit Kindern ist nicht ausdrücklich vorgesehen – es kann davon abgesehen werden.
 

Wenn die Regierung die KRK kennt, dann weiss sie um den Artikel 2 Abschnitt 2: Kinder dürfen nicht wegen der Handlungen, Unterlassungen oder Einstellungen der Eltern Nachteile erleiden dürfen. Kinder sind im Sozialhilferecht Teil der Familie. Der Entzug der Sozialhilfe lässt die Kinder Nachteile erleiden.
 

In Verbindung mit dem Artikel 2 steht auch der Artikel 27, welcher Kindern zwingend Anspruch auf einen entwicklungsförderlichen Lebensunterhalt zuspricht. Wenn die Regierung im Bericht davon spricht, dass die Eltern die Umstände im ANZ für sich und ihre Kinder ‘in Kauf’ nehmen, dann sagt das im Kern aus, dass die Kinderrechtskonvention nicht verstanden wurde.
 

Der Artikel 12 Das Partizipationsrecht der Kinder ist umfassend, das heisst, die Kinder müssen angehört werden, wird ignoriert. Das Kind wird ‘nur’ als Anhängsel der Erwachsenen wahrgenommen.
 

Der Runde Tisch organisiert durch die EKM im Juni 2021 hat nun eine Studie in Auftrag gegeben – das ist begrüssenswert, es wird aber wieder viel Zeit vergehen – ein Monat, ein Jahr ist im Leben eines Kindes eine lange Zeit! Wir könnten früher und humanitärer, verantwortungsvoller handeln.
 

Ebenfalls anerkennen wir das Dilemma, in welchem der Staat steckt, wenn er abgewiesene Asylbewerber im ANZ zur Ausreise motivieren möchte (und nicht zum Bleiben). Aber müssen dies die Kinder ausbaden?
 

Gesondert möchte ich auf die Situation eritreischer abgelehnter Familien hinweisen. Eritrea verweigert abgewiesenen Asylbewerbern dir Einreise. Das heisst, die Familien stranden – und die Nothilfe ist dann ein kleiner Rettungsanker. Dies zeigt, nicht alle Familien im ANZ Sonnenberg verweigern von sich aus die Ausreise – und sollten deshalb auch nicht abgestraft werden. Denken Sie an die Kinder! Die Wahrscheinlichkeit, dass diese in der Schweiz irgendwann vorläufig aufgenommen werden, ist gross. Ermöglichen wir den Kindern eine den Kinderrechtskonventionen entsprechende gesunde Entwicklung.


Wenn festgestellt wird, dass Kinder so lange im nicht dafür konzipierten ANZ leben, dann muss man reagieren, die Situation prüfen – für die Kinder. Den Spielraum, welcher der Bund gewährt, ausnutzen und an die Kinder denken. Die Eltern reisen nicht aus (mit all den erwähnten Härtefällen sicher oft sehr aufwändig und teuer) – aber die Familie wird dafür kollektiv auf Minimum gesetzt, ohne wirklich den von der Regierung zitierte Individualgrundsatz zu beachten.
 

Die Regierung verweist darauf, dass für die Nothilfe ausschliesslich der kantonalen Rechtsprechung massgebend sei. Wir nehmen dies zu Kenntnis. Dabei könnte also evtl. auch eine Änderung dieser Rechtsprechung ins Auge gefasst werden.