Mittwoch, 17. Juli 2019

Europapolitik – Die Frage, die Joseph Deiss nicht stellt

Oliver Schmid-Schönbein, lic. oec. HSG, Unternehmensberater für Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement, Unternehmer; Tagblatt 15.7.2019

Zum Interview mit Alt Bundesrat Joseph Deiss im Tagblatt vom 9.7.2019. Deiss sagt darin: «Die beste Variante wäre der EU-Beitritt»

 

Alt Bundesrat Deiss hat mit seinem Postulat nach einem EU-Beitritt der Schweiz ins Sommerloch getroffen. Die CVP windet sich ob des Zeitpunkts dieses Vorstosses, die SVP fühlt sich bestätigt in ihrem glorreichen Kampf gegen das Schreckgespenst EU-Beitritt. Gespenster kann man gut beschwören, denn zu sehen bekommt man sie nie. Und so ist es mit dem EU-Beitritt: So einfach ist dieser für die Schweiz gar nicht. Deiss weist zu Recht darauf hin, dass die Souveränität der Schweiz davon abhängt, ob man bei wichtigen Fragestellungen mit abstimmen kann.

 

Solange die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, sitzt sie nur beratend am Tisch, das ist jedem klar. Wir aber geben uns seit Jahren der Illusion hin, die Souveränität sei mit dem Vorbehalt des Referendums gewahrt. Faktisch stehen wir immer wieder vor der Wahl, den jeweiligen Sachverhalt zu akzeptieren oder das ganze Vertragsgerüst in Frage zu stellen. Das wird regelmässig als EU-Erpressung diskreditiert, aber ohne diesen Vorbehalt hätten wir ja ein Vetorecht. Wir hätten Zugang zum Binnenmarkt, könnten bei Neuerungen mitdiskutieren und diese anschliessend per Volksabstimmung ablehnen, wenn das Ergebnis uns nicht gefällt. Dies als Nichtmitglied sogar bei Vorlagen, die im Mehrheitsprinzip entschieden und dennoch für alle EU-Mitglieder verbindlich sind. Das gibt es in keinem Sportverein, dass einzelne Mitglieder oder gar Gäste ein Vetorecht haben. Die Schweiz müsste also bereit sein, mittels Verfassungsänderung auf Referendum und Initiative bezüglich des EU-Rechts zu verzichten, die anderen EU-Mitglieder würden sonst nie einen Beitritt akzeptieren. Diese Frage stellt sich zuerst, und Deiss stellt sie nicht.