Mittwoch, 15. Juni 2022

Umsetzung der neuen Spitalstrategie auch im Notfallbereich

Die Regierung versprach uns mit der neuen Spitalstrategie eine nachhaltige Sicherstellung der Qualität und einen wirtschaftlichen Betrieb. Daran muss sie sich messen lassen. Und sie wird sich auch daran messen lassen müssen, dass sie umsetzt, was sie der Bevölkerung versprochen hat: zum Beispiel an der Errichtung von Gesundheits- und Notfallzentren an allen Standorten, deren Spitäler geschlossen werden.

Motion "Umsetzung der neuen Spitalstrategie auch im Notfallbereich"
Ruedi Mattle im Namen der Grünliberalen und in eigenem Namen

 

Blicken wir zurück: Die Wogen nach der erstmaligen Information zur geplanten Schliessung mehrerer Spitalstandorte vor fast genau vier Jahren gingen hoch. Nachdem der Lenkungsausschuss durch den Kanton gereist war und sich an verschiedenen Informationsveranstaltungen ein Bild der öffentlichen Meinung gemacht hatte, wurden die sogenannten Gesundheits- und Notfallzentren GNZ als Ersatzlösung für die zu schliessenden Spitäler in die Strategie eingebracht. Insbesondere die Bedenken der Bevölkerung zur zukünftigen Notfallversorgung wurden damit, so die Regierung, gehört und aufgenommen.

 

Tatsächlich passte die Regierung die Ausgestaltung der GNZ nach der Vernehmlassung an. Ich zitiere aus der Medienmitteilung der Regierung vom 27. Februar 2020:
«Die Regierung hält am Aufbau der wohnortnahen Gesundheits- und Notfallzentren (GNZ) grundsätzlich fest. Eine uniforme Ausgestaltung – wie sie in der Vernehmlassung kritisiert wurde – ist jedoch auch aus Sicht der Regierung nicht zielführend. Sie ist überzeugt, dass es GNZ mit regionenspezifischen Ausrichtungen benötigt. Am Notfallbetrieb hält sie fest, wobei das definitive Angebot betreffend Betriebszeiten und allfälligem Bettenangebot primär mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte festgelegt werden soll und subsidiär ergänzt wird mit den Spitalverbunden.»

 

Wer aus dieser Mitteilung nun entnehmen kann, dass an ehemaligen Spitalstandorten gar keine GNZ errichtet werden sollen und der Notfallbetrieb ausserhalb der Öffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte in einem Zentrumsspital geleistet werden soll, braucht meines Erachtens schon viel Fantasie. Immerhin betonte die Regierung ausdrücklich und grundsätzlich, dass sie an den GNZ und am Notfallbetrieb festhalte.

 

Die Regierung verweist ausserdem in Ihrer Antwort auf die Abstimmungsbroschüre zur Volksabstimmung vom 13. Juni 2021, also vor genau einem Jahr. Dort sei, so die Regierung in ihrer Antwort, ausgeführt worden, dass das Angebot der GNZ in Zusammenarbeit mit der niedergelassenen Ärzteschaft auf den Bedarf der Region ausgerichtet werde. Die Regierung zitiert völlig korrekt aus der Abstimmungsbroschüre auf Seite 23. Nur zwei Sätze weiter – und von der Regierung nicht zitiert - steht dort allerdings «Der Kanton unterstützt das Notfallangebot der GNZ mit jährlichen Beiträgen.» 

 

In derselben Broschüre werden bei den Empfehlungen des Kantonsrates u.a. folgende Begründungen zum «Kantonsratsbeschluss über die Gewährung von Beiträgen für die Notfallversorgung» aufgelistet: Nämlich, dass
    • die Notfallversorgung auch bei einer Umwandlung von Spitälern in Gesundheits- und Notfallzentren flächendenkend sichergestellt werden muss,
    • dass die Notfallversorgung an den regionalen Spitalstandorten sowie an den Gesundheits- und Notfallzentren nicht ohne zusätzliche Beiträge gewährleistet werden kann;
    • und dass die Sicherstellung von wohnortsnahen Notfallanlaufstellen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung trägt.

Und zum Schluss wird auch noch auf die möglichen Folgen einer Ablehnung der Vorlage aufmerksam gemacht. Eine Ablehnung könnte zu Einschränkungen bei der regionalen Notfallversorgung führen.

 

Die Regierung mag mit ihrer Antwort formal-juristisch recht haben, denn im Gesetzt steht bei den jährlich wiederkehrenden Beiträgen für die Notfallversorgung an den Standorten der Gesundheits- und Notfallzentren tatsächlich eine Kann-Formulierung auf welche auch in der Abstimmungsbroschüre hingewiesen wird.

Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, welche sich mit der Vorlage nicht in aller Tiefe auseinandergesetzt haben, dürfen unseres/meines Erachtens jedoch annehmen, dass an allen vier zu schliessenden Spitalstandorten Gesundheits- und Notfallzentren entstehen und dort, «nomen est omen» auch ein umfassendes medizinisches Angebot bei medizinischen Notfällen zur Verfügung steht. Was formal-juristisch korrekt ist, ist noch lange nicht demokratisch, geschätzte Mitglieder der Regierung.

 

Die Regierung versprach uns mit der neuen Spitalstrategie eine nachhaltige Sicherstellung der Qualität und einen wirtschaftlichen Betrieb. Daran muss sie sich messen lassen. Und sie wird sich auch daran messen lassen müssen, dass sie umsetzt, was sie der Bevölkerung versprochen hat: zum Beispiel an der Errichtung von Gesundheits- und Notfallzentren an allen Standorten, deren Spitäler geschlossen werden.

Geschätzte Mitglieder der Regierung. Sie verantworten die umfassende Umsetzung der Spitalstrategie – entsprechend müssen Sie diese auch aktiv führen. Diese Aufgabe können und dürfen Sie nicht an die Spitalverbunde delegieren. Es scheint mir mehr als angezeigt, dass Sie die Zügel in die Hand nehmen und die Strategie so umsetzen, wie sie von Ihnen versprochen wurde – und nicht, wie sie die Spitalverbunde interpretieren. 

 

Die Motion verlangt eine Klärung der Umsetzung der GNZ, v.a. in Bezug auf die Leistungen dieser Einrichtungen im Notfallbereich. Die Antwort der Regierung auf die Motion zeigt eine massgebliche Abweichung zu den früher gemachten Aussagen. Diese Lücke gilt es zu schliessen.