Freitag, 22. März 2019

Engpassbeseitigung St.Gallen – wo bleibt die Gesamtsicht?

Eine eingehende Prüfung des vor zwei Wochen vorgestellten Projekts «Engpassbeseitigung St.Gallen mit Teilspange» zeigt: Es ist deutlich schlimmer, als zunächst angenommen. Der Kostenverteiler geht klar überproportional zu Lasten des Kantons und Stadt St.Gallen. Die skizzierten positiven Auswirkungen auf das Gesamtsystem sind nicht nachvollziehbar, von einer intelligenten Lösung oder einer umfassenden Gesamtsicht kann definitiv nicht gesprochen werden. Zudem spielt der St.Galler Stadtrat eine demokratisch heikle Rolle. Das vorliegende Projekt hat viel von einer politisch gewollten Zangengeburt, aber keine wirklich nachvollziehbare Vision.

Kostenverteiler bestätigt den zu geringen Nutzen

Die Grünliberalen stellen die Notwendigkeit des Teilprojekts «Zubringer Güterbahnhof und Tunnel Liebegg» grundsätzlich infrage. Alleine der Kostenverteiler zeigt, dass die beiden Appenzell offensichtlich keinen grossen Nutzen im Projekt sehen. Appenzell-Ausserrhoden und die Gemeinde Teufen übernehmen einen minimalen Anteil an den Gesamtkosten, Appenzell-Innerrhoden bezahlt nichts – eine durchaus nachvollziehbare Haltung. Die Dosierstelle Liebegg, welche St.Gallen-Riethüsli und die Teufener Strasse vom Stau entlasten soll, wird seit Monaten auf die lange Bank geschoben. Die Appenzeller verlagern ihre Verkehrsprobleme an Stadt und Kanton St.Gallen, an den Kosten und Massnahmen für die Bewältigung beteiligen sie sich minimal.

 

Da auch bei einer Umsetzung des Vorhabens die Belastung der Bevölkerung auf der Achse Teufener Strasse, Kreuzbleiche für die kommenden 20 Jahre bestehen bleibt, fordern die Grünliberalen von Stadt und Kanton St.Gallen Schutzmassnahmen beim Stadteingang zu ergreifen. Notfalls muss die Dosierstelle auch gegen den Willen der Regierungen der beiden Appenzell auf Stadtgebiet erstellt werden, sollte diese nicht bis Ende 2019 umgesetzt sein. Sind die Appenzeller Regierungen nicht bereit sich an der Lösung der von ihrer Bevölkerung mit verursachten Verkehrsprobleme entsprechend zu beteiligen, sehen die Grünliberalen auch keine Notwendigkeit, dies zu Lasten von Stadt und Kanton St.Gallen und zum Vorteil für die Appenzeller zu tun.

 

Position der Stadt fragwürdig

Die offiziell positive Haltung des Stadt St.Galler Stadtrats ist fragwürdig. Aus Sicht der Grünliberalen widerspricht die Haltung des Stadtrats klar dem mehrfach geäusserten Volkswillen, den Anteil des MiV am gesamten Verkehrsvolumen zu reduzieren. Anstatt vorauseilendes Kuschen vor der Autolobby von Kanton und Bund, hat sich der Stadtrat vielmehr für die konsequente Verteidigung des Volkswillens einzusetzen. Dies umso mehr, als dass sich die Kantonsbevölkerung als Ganzes wohl nie an der Urne zum Projekt wird äussern können, aber ein Nein der Stadtbevölkerung nur zu den flankierenden Massnahmen keine Auswirkungen auf das Gesamtprojekt haben wird.

 

Projekt ist nur für Autoverkehr

Kritisch erachten die Grünliberalen die einseitige Fokussierung auf den MiV. Die anderen Verkehrsträger werden nicht berücksichtigt. Dabei zeigt der sehr hohe Anteil von 85% innerstädtischem Verkehr, das zukünftige Lösungen im LV und öV liegen, sicher nicht im weiteren Ausbau der MiV-Infrastruktur. Dass der Ausserrhoder-Regierungsrat Dölf Biasotto für die Präsentation der Engpassbeseitigung während der abendlichen Stosszeit mit dem Auto von Herisau nach St.Gallen reist, um sich über die lange Fahrzeit von 1 Stunde zu beschweren, zeigt klar: Es geht nicht um die beste Lösung, sondern nur darum, alte Gewohnheiten beibehalten zu können. Mit einer der vier stündlichen Zugverbindungen hätte er die Reise in 20 Minuten bequem hinter sich gebracht. Nun muss zuerst endlich ein konsequenter 15-Minunten-S-Bahn-Takt realisiert werden, bevor weitere Millionen in Strassen-Infrastruktur investiert werden!

 

Es darf zudem grundsätzlich hinterfragt werden, ob sich der Aufwand zur Erarbeitung des generellen Projekts überhaupt lohnt. Wohl nur dank der überraschenden, massiv kostensenkenden Anpassungen seit 2014 ist das Projekt überhaupt noch in der Planung des Bundes enthalten. Diese jedoch bezieht sich auf Punkte, die damals als «nicht möglich» deklariert wurden (Link siehe unten). Liegt dem Vorhaben wirklich eine machbare Idee zugrunde, oder ist’s letztlich nur politischer Wille?

 

Gesamtsicht fehlt

Die Verantwortlichen aus Bund und den Kantonen beteuern, der geplante Zubringer Appenzellerland (A25) habe keine Auswirkung auf die Stadt. Eine wirkliche Analyse diesbezüglich wurde allerdings nicht gemacht. Die Grünliberalen sind überzeugt, dass die A25 der Gesamtregion deutlich mehr bringt, als die Teilspange Liebegg. Schon heute ist der Weg für Reisende Richtung Zürich, mit Ausnahme der Achse Gais-Bühler-Teufen, via Herisau schneller als via St.Gallen. Ein Umstand, der sich mit der A25 akzentuieren wird, während der Bau einer schnellen Verbindung durch St.Gallen zu unnötigem Mehrverkehr auf der Stadtautobahn führen, welcher wiederum neue Engpässe erzeugen wird.

 

Zudem ist heute die maximale Verlagerungswirkung auf die Appenzeller-Bahn aufgrund des erst im Herbst 2018 eröffneten Ruckhaldetunnel zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Die bevorstehende Einführung des 15-Minuten-Takt in den Stosszeiten wird eine zusätzliche Verlagerungswirkung entfalten. Da sich allerdings alte Gewohnheiten zuerst ändern müssen, darf keine Energie in den Ausbau in die MiV-Infrastruktur investiert werden, welche diesen wieder bequemer und damit dem öV gegenüber bevorzugt. Es ist unsinnig, getätigte Investitionen beim öV und LV mit weiteren beim MiV direkt wieder zu torpedieren. Es muss endlich das Gesamtsystem, nicht weiter jeder Verkehrsträger für sich betrachtet und entwickelt werden.