Freitag, 2. Oktober 2015

Wie funktioniert der Schweizer Strommarkt - mit mehr erneuerbaren Energien?

An einer öffentlichen Veranstaltung diskutierte die Energiefachgruppe der GLP und weitere Interessierte über die Herausforderungen auf dem Schweizer Strommarkt mit der zunehmenden Produktion von erneuerbaren Energien und die politischen Rahmenbedingungen bezüglich der Solarstromproduktion. Auch die kürzlich im Ständerat gefällten Beschlüsse waren ein grosses Thema.

Der Stromhandel ist nicht einfach zu verstehen: Was wir heute verbrauchen, hat ein Stromhändler in der Regel bereits vor gut 2 Jahren eingekauft. Früher machte man nur Verbrauchsprognosen, heute muss man zusätzlich auch Produktions-prognosen machen. "Die Verpflichtung, Wind- und Solarstrom abzunehmen, macht die Prognose für Elektrizitätswerke schwieriger" erläutert Simon Michel, der seine Erfahrung aus dem Stromhandel in die Diskussion einbringt. Noch vor eini-gen Jahren lag die Spitze der Strompreiskurve regelmässig über Mittag. Heute gibt es bei Sonnenschein jeweils zwei Spit-zen: eine um etwa 9 Uhr und eine zweite am Abend um etwa 19 Uhr. Einen grossen Einfluss haben auch die Windverhält-nisse im Norden Deutschlands, wo viele Windräder stehen. Mittelfristig wird dies zu einer Änderung der heutigen Hoch- und Niedertarifstruktur führen. Schon heute haben Grossverbraucher häufig keinen Hoch- und Niedertarif mehr, sondern einen Einheitspreis für den Strom.


Politische Rahmenbedingungen sind entscheidend
Der Strommarkt wird stark durch die politischen Rahmenbedingungen mitbestimmt. Da der europäische Strommarkt stark zusammenhängt, hat die Schweizer Politik jedoch nur einen begrenzten Einfluss. Der Ständerat will die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für erneuerbare Energien 2020 auslaufen lassen. Aus Sicht der GLP macht eine Befristung – wenn überhaupt – nur dann Sinn, wenn sie an das Erreichen der Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien gekoppelt wird. Die jetzt festgelegte Befristung auf sechs Jahre ist willkürlich und schafft alles andere als Investitionssicherheit. Eine fortlaufende Tarifsenkung verbunden mit Kostenwahrheit bei anderen Technologien würde in einigen Jahren automatisch dazu führen, dass die KEV nicht mehr attraktiv ist.


Was kommt nach der KEV?
Die nationale Politik motiviert schon heute stark zu Eigenverbrauch. Viele Elektrizitätswerke tun sich jedoch schwer damit, dass Solarstromproduzenten ihre Stromrechnung reduzieren, und mindern die Eigenverbrauchs-Attraktivität mit neuen Vorschriften und speziellen Netztarifen. Die Sorge um eine "Entsolidarisierung" der Netzkosten sollte man ernst nehmen, bevor sie ernst wird. Die einst von GLP Politikern initiierte Genossenschaft Solar St.Gallen produziert mittlerweile Strom für über 250 Haushalte. "Natürlich setzen wir uns für die Interessen von unabhängigen Solarstromproduzenten ein," erklärt die Präsidentin der Solargenossenschaft und GLP Nationalratskandidatin Sonja Lüthi, "doch wir müssen auch die Herausfor-derungen auf Seite der Elektrizitätswerke ernst nehmen." Gesucht sind hier konstruktive Lösungen, welche alles in allem das System effizienter machen. Aus Sicht der GLP braucht es in Zukunft eine neue Berechnungssystematik für die Netz-kosten. Eine einer Solaranlage ab 30 kWp, was häufig Gewerbebetriebe betrifft. Positiv hinsichtlich der Solarstromproduk-tion auf Mehrfamilienhaus ist der Beschluss vom Ständerat, dass sich Endverbraucher zum Eigenverbrauch zusammen-schliessen können. Bislang war die Handhabung umstritten: Neu benötigt eine Eigenverbrauchs-Gemeinschaft nur einen Zähler und soll vom Netzbetreiber wie ein Endverbraucher behandelt werden. Die hausinterne Abrechnung kann über die Nebenkosten erfolgen.

Strommarktliberalisierung und ihre Konsequenzen
Die vollständige Strommarktliberalisierung wird schon seit einigen Jahren verschoben. Die Konsequenzen einer vollständi-gen Liberalisierung sind ungewiss. Einige Diskussionsteilnehmer sehen ein Potential für neue Energieversorger, welche konsequent Ökostrom anbieten. Man ist sich aber einig, dass der allgemeine Nachfragetrend eher zu möglichst günstigem Strom egal welcher Herkunft führt. Deshalb braucht es aus Sicht der GLP vor der Liberalisierung die Internalisierung nega-tiver externer Effekte. Das heisst, Kohle- und Atomstrom müssen ihre vollen Kosten tragen, zum Beispiel über eine diffe-renzierte Stromabgabe. Eine Stromabgabe könnte gerade jetzt, wo die Strompreise auf einem historischen Tiefpunkt lie-gen, sinnvoll sein.


Ein Langzeitbetriebskonzept für die Atomkraftwerke
Unglücklich ist die GLP über die Ablehnung des Ständerates eines Langzeitbetriebskonzeptes für die Atomkraftwerke. Der Ausstieg aus der Atomenergie braucht einen Plan und ein Datum. Im August 2015 produzierte zeitweise keines der Schweizer Atomkraftwerke und Beznau 1 bleibt wegen Sicherheitsbedenken mindestens bis Februar 2016 abgeschaltet. Die Beteiligung an Atomkraftwerken über kantonale Versorger ist für die Kantone ein finanzielles Risiko. Der politische Ent-scheid, aus der Atomkraft mit ihrem ungelösten Endlagerproblem auszusteigen, bleibt jedoch günstiger als die Konsequen-zen eines Störfalls. Vier Jahre nach Fukushima ist die Problematik nicht geringer geworden. Wie die Kampagne der Schweizer Wirtschaft (www.es2050.ch) sagt auch die GLP zur Energiestrategie 2050: Dranbleiben!